Mittwoch, 30. Oktober 2013

wäsche waschen

als ich kam, war es herbst. sie nahm mich auf. wie jedes jahr. ich hatte ihren schlüssel. in der wohnung war leise. sie war nicht da. ich duschte. und konnte meine wäsche waschen. ich habe ihr ein badehöschen mitgebracht, dabei hoffte ich, dass sie noch dieselbe grösse hatte wie im vorjahr. ich bestellte mir eine pizza und zwei bier später schlief ich ein. nachts wurde ich wach. der jetleg machte mir zu schaffen und ich wollte sie sehen. sie schlief. sie war warm und weich und roch nach teurem wodka. ich musste sie küssen. nein, verschlingen. es war mir egal, ob sie einen freund hatte. als sie kam, wusste ich, dass sie keinen freund hatte. danach haben wir geredet. wortlose musik gehört.
am nächsten tag stand sie da. hatte ein gepunktetes kleid an. sie zog sich eine jacke über und wickelte ein grosses tuch um ihren hals.
bis dann, sagte sie. bleib, sagte ich. sie lächelte. dann ging sie. von oben sah ich, wie sie mit dem rad davon fuhr. und wie die bunten blätter sie verfolgten.

Mittwoch, 23. Oktober 2013

morgens

als du zurückgekommen bist, hat es geregnet. es war herbst. du warst die temperaturen nicht gewohnt. du hast in meiner wohnung halt gemacht. und du warst auf der durchreise. eine nacht wolltest du bleiben. eine nacht. ich wusste, dass du wieder gehen wirst. du  hast deine sachen in die diele geschmissen. hast stundenlang geduscht. zwei bier getrunken. als ich kam, hast du geschlafen. tief und fest. ich hatte deinen kopf gestreichelt und deine bräune im dunkeln bewundert. in der küche lag ein bikinihöschen. und ein zettel. für dich stand drauf. ich legte mich auf auf die couch. streckte mich. goß mir ein glas wodka ein. zog das bikinihöschen an. legte den zettel auf meine brust und schlief ein. nachts hast du mich geweckt. der jetleg, hast du gesagt und gelächelt. dann hast du mich an den hüften gepackt und mich geküsst. überall. wir hörten portishead. bis es hell war. der wodka war leer.
am nächsten tag sah ich raus. das laub klebte am boden. du warst wach und hast die decke bis zum kopf gezogen. geh nicht, hast du gesagt. ich musste gehen.
die luft war frisch. das laub roch würzig. ich nahm das rad und fuhr los. ich spürte dich noch. bis zum nächsten jahr.

damage

Dienstag, 22. Oktober 2013

erde und wälder

als opa starb, hatte er keine zähne mehr. er sprach auch nie vom tod, ausser dass er bei seiner beerdigung seine feinsten schuhe anhaben wollte. so haben wir sie ihm angezogen. sie waren klein, schwarz und aus lack.
opa war bei der marine. er war berufssoldat. dann war er im krieg und in gefangenschaft. stolz zeigte er uns kindern immer seine narben und seine blaßblauen tätowierungen. so bestaunten wir dreimaster auf seiner brust und meerjungfrauen an seinen unterarmen. opa lachte viel. und rauchte auch viel. er musste auf dem balkon rauchen, bei eisiger kälte war er dann draussen und unterhielt dabei die halbe nachbarschaft. opa stand oft mitten in der nacht auf und ging in die stadt, um für fleisch anzustehen. manchmal kam er nach 6stunden zurück und hatte kein fleisch dabei, aber dafür süssigkeiten für uns kinder und zeitungen. am nächsten tag versuchte er es wieder. und wieder. bis er fleisch mitbrachte. opa mochte die wälder um die stadt herum. er fuhr mit der strassenbahn bis zur letzten station und ging in den wald. dort sammelte er steinpilze. die tasche war voll als er zurück kam. opa konnte kartoffelschnaps brennen und kannte alle kartentricks.
als opa starb wurde er nicht verbrannt und seine asche ins meer geworfen. er sagte, dass das meer ihm kein glück gebracht hatte. es war kalt als opa starb. die erde war zugefroren, so dass man sie erst anbrennen musste, um sie auszuheben. eine lange linie mit menschen zog sich zum grab. die männer, die den sarg trugen weinten. es waren seine söhne. als die erde dann mit einem dumpfen knall auf seinen sarg fiel wusste ich, dass er nie wieder zurückkehren würde. und weinte.

Mittwoch, 16. Oktober 2013

im außenbezirk

die nacht war kurz. der club war überfüllt. laut. die lichter grell. stroboskopisch. ich suchte die bar des clubs auf. ich betrank mich. wie jeden abend eigentlich. und dort arbeitete er. oberkörperfrei. anders konnte man es ohnehin in diesem dunstkreis nicht aushalten. ich hatte noch die sachen aus dem büro an. ich war völlig durchnässt. aber angetörnt von den gedanken ihn wieder zu sehen.  er mixte die drinks. tanzte. und ab und zu lächelte er rüber. ein lichtblick. dann war ich auf dem klo. überall wurde gekokst. geknutscht. gefummelt. ach, vieles mehr noch. erst fand ich es berauschend, doch irgendwann wurde es mir zuviel. es ekelte mich an. ich war kein voyeur. das leben hatte ich ohnehin satt. aber an diesem mann konnte ich mich nicht satt sehen. irgendwann schlief ich an der theke ein. dann berührte mich ein arm. sein arm. wir schliessen,  ich muss dich rauswerfen, sagte er. ich war so fertig, dass ich ihn kaum erkannte. ich lallte irgendwas vor mich hin und mit langsamen schritten bewegte ich mich raus in die kälte. ich schaffte es nicht ein taxi zu rufen.
dann wachte ich auf. ich sass im taxi. er neben mir. in pullover und jacke. verrätst du mir jetzt wo du wohnst, sonst muss ich dich mitnehmen, er lachte. ich sah aus dem fenster. grau zog die stadt an uns vorbei. menschen stiegen in busse, strassenbahnen oder fuhren rad. das licht der ampeln strahlte uns an. ich wollte nicht wissen, wie ich aussah. die scheibe des taxis gab mein spiegelbild nicht her. es war mir peinlich, dass er mich so sah. ich komme mit, entschied ich. wir fuhren zu ihm. er wohnte am rande der stadt. ich schleppte mich in den 4.stock des altbaus hoch und landete in einer wohnung. klein, warm. mit schönem boden. er brachte mich in die küche und ich setzte mich. die küche war klein. vollgestopft mit töpfen, pfannen, messern. schälchen, äpfeln, birnen und getrockneten kräutern. ich dachte an meine riesige kahle, ja fast sterile wohnung. ich kochte nie. aß immer auswärts und in hotels, in welchen ich übernachtete. er zog seine jacke aus und machte uns kaffee. mein kopf dröhnte. ich traute mich kaum ihn anzusehen. er stand wie aus dem ei gepellt vor mir. jeans. t-shirt. barfuss. als ob er nie gearbeitet hätte. zumindest nicht in dieser hölle. er reichte mir den kaffee. danke, es ist mir ein wenig peinlich, dass du mich so siehst, sagte ich leise. das ist ok, sagte er. ich trank langsam. dann kam eine katze herein. das ist heroin, sagte er und hob heroin hoch. heroin war schneeweiss. ich musste lächeln. fragte nach dem badezimmer. hinten rechts. ok. im bad standen tübchen und cremedöschen. duschgels und bodylotions. drei parfümsorten. kaltwachs. ich suchte vergeblich nach o.b.'s und frauenhöschen.  fand nichts. sah mich im spiegel an und sah wieder weg. wusch mir lange die hände mit einer honigseife und ging zu ihm und heroin zurück. es war mittlerweile hell. und das im winter. ich wusste nicht was ich wollte. ich wollte nicht nach hause. da wartete das leben. das langweilige luftleere leben.  hier, hier gab es sehnsucht. und sehnsucht war lebendig. und lebendigkeit konnte ich mir nicht kaufen. du kannst noch bleiben, sagte er. ich muss mich hinlegen. habe später paar vorlesungen, er griff kurz nach meiner hand. was studierst du, fragte ich. medizin, sagte er. ich stand auf. wollte was sagen. wusste nicht was. mir war schwindelig. es war ein traum hier zu sein. bei ihm. in seiner wohnung. mit einer katze, die heroin hieß. du hast dich noch nicht geoutet, nicht wahr? er sah mich an. nein, sagte ich. mein magen rebellierte. fast musste ich kotzen. ich musste kreidebleich sein. er öffnete das kleine fenster. komm, sagte er. die luft war kühl. ein nebel hing über der stadt. hier und da dampfte es. bleib bei dir, dann wird es dir besser gehen. ich schloss die augen. er verließ die küche. heroin blieb. und ich auch.


Dienstag, 15. Oktober 2013

post mortem

ich sah auf das meer hinaus. eine dunkle, tobende masse kämpfte sich am strand entlang. es war kalt. ich versteckte mich in meiner jacke. jahrelang war ich nicht hier. damals wurde seine leiche an diesen strand gespült. ich war noch klein. meine mutter sprach danach nicht mehr. sie verstummte einfach. ich wollte sie retten, doch es passierte nichts. außer, dass mein vater tot blieb. die jahre vergingen. meine mutter redete immer noch nicht. sie wurde zum kind. und ich wurde erwachsen.
in meiner kalten rechten hand hielt ich lilien. in der linken hatte ich ein stofftaschentuch. ich wickelte es um die stiele, schloss die augen und warf alles weit in die see. die lilien waren meine mutter. das stofftaschentuch mein vater. beide ließ ich gehen. und wurde gerettet.


Dienstag, 8. Oktober 2013

morgens um 7 ist die welt nicht in ordnung

mein vater hatte mal wieder ein date. das habe ich bemerkt, weil er das bad stundenlang blockierte. als er endlich rauskam roch er wie ein in axe geduschter teenie und sein haar war eine einzige gelkruste, vom restlichen outfit ganz zu schweigen. er hüpfte einbeinig durch die wohnung und suchte seinen sakko, welcher viel zu eng war, aber  in einem unverkennbaren grellgrün, so wie es die bei zara zu hunderten gab. ich musste innehalten, um nicht zu lachen. so stand ich mit meiner kaffeetasse in der hand  in der wohnung und freute mich darüber, dass er urplötzlich um jahre jünger war. wie sehe ich aus, fragte er mich. ganz gut, bis auf die schweissperlen auf deiner stirn, ich musste lachen. und er auch.
mein vater ist seit 9 jahren von meiner mutter getrennt. sie verliess ihn. ich glaube die meisten frauen verlassen ihre männer. sie sind irgendwie konsequenter. mein vater ist ein merkwürdiger vogel. aber ich blieb bei ihm. meine mutter hat eine neue familie gegründet. ab und zu besuche ich sie.
seitdem ist mein vater alleine. hin und wieder schleppte er eine frau an. sie kamen meist nicht nochmal. dann stand mein vater geknickt in der küche, rauchte und schob seine üble laune auf das wetter. er tat mir leid. ich bestellte für uns pizza, fragte nichts, aber ich war froh dass diese damen weg waren. die meisten hatten einen stock im arsch und keine ahnung von familie und kindern, obwohl sie selbst familie und kinder hatten. dann wurde es still im haus. ausser heute. mein vater verschwand mit seinem grellgrünem sakko im treppenhaus, dann in seinem saab und dann war er weg.
am nächsten morgen war die badezimmertüre verschlossen. ich hörte die dusche. sonst nichts. ich ging in die küche und lies die espressomaschine warmlaufen. dann ging die badezimmertüre auf. guten morgen, sagte eine frauenstimme. ich zuckte zusammen. hi, sagte ich. vor mir stand eine kleine person. weiblich. blond. jung und im handtuch eingewickelt. sie strahlte. hast du einen föhn für mich, wollte sie wissen. ich nickte und gab ihr meinen, der seit gestern in der sporttasche lag. danke, sie huschte wieder ins bad. mein vater schien durchgedreht zu sein. jetzt lud er schon teenager zu uns nach hause ein. sauer sah ich aus dem fenster. sie war doch jünger als ich. ok, ich bin 25, aber älter war sie doch ganz sicher nicht. ich hörte den föhn, der auf hochtouren lief, von meinem vater immernoch keine spur. eine weile später stand sie wieder in der küche. sie gab mir den föhn, dann ihre hand. annabelle, sagte sie leise und lächelte. friederike, sagte ich, aber alle nennen mich freddy. scheisse, was sagte ich da? ich kannte sie doch gar nicht. wenn das so ein one-night-ding war, möchte ich doch nicht, dass mich eine annabelle aus sonstwo kennt. und mich freddy nennt. sie setzte sich an den küchentisch. so ganz selbstverständlich tat sie das. und sah sich um. ich machte das radio an. es duddelte der übliche morgentliche mist heraus und ich machte kaffee. auch einen? ich hob die tasse hoch. ja, annabelle fühlte sich wie daheim und mein vater war wohl tot. annabelle hatte ihn totgevögelt. soviel war sicher. und dann hat sie noch den mumm seelenruhig einen kaffee von der tochter des opfers anzunehmen. wie bescheuert.
annabelle stand mit einem satz auf, ging ans radio und stellte einen neuen sender ein. jetzt lief klassik. na herrlich. besser, oder? erwartungsvoll sah sie mich an. ja klar, lachte ich. innerlich musste ich kotzen. komisch für dich nicht wahr, wenn dein vater jemand mitbringt. ich wollte zu mir, aber er bestand darauf. und ich fand die idee dann auch ganz gut. er hat mir viel von dir erzählt, sie lächelte. tatsächlich, ich schob eine augenbraue hoch, von dir hat er nichts erzählt. zeitgleich verbrannte ich mich am kaffee. die musik wurde unerträglich. auch das gespräch. ich kämpfte mit den tränen. annabelle nahm meine hand. tut mir leid, ich wollte dich nicht überfallen. ich kenne das. mein vater lebt auch alleine. werde jetzt mal rübergehen und mich anziehen. muss in die agentur. wenn du magst, können wir mal mittagessen gehen. ich würde mich freuen freddy. sie drückte meine kalte hand,  stand auf und ging ins zimmer meines vaters, der wohl immernoch tot war. dann kam sie raus und sie sah verdammt gut aus. tolle figur und auch noch coole sachen an, so eine hautenge jeans, schwarzes seidenhemd und die blauen high heels von isabel marant, welche ich bei net-a-porter schon tausendmal bewundert hatte. sie warf sich eine feine lederjacke über, gab mir eine kusshand und ging. ich hörte ihre schritte noch lange im treppenhaus.
was hat sich der arsch denn überhaupt dabei gedacht? er schleppte nicht nur eine 30jährige blonde ins haus, nein- er bestand sogar darauf. offensichtlich kannte er annabelle schon länger. scheisse. dann ließ er sich totvögeln oder er stellte sich tot um nicht in diese peinliche situation zu kommen, beide frauen in seiner küche stehen zu haben. und das morgens. morgens um 7. doof ist er nicht. tatsächlich nicht. und annabelle auch nicht. scheisse!
irgendwann  kam er in der küche. unsicher. in boxershorts und weissem t-shirt. das gel rieselte aus seinem haar. und überhaupt sah er ziemlich zerknittert aus. aber gar nicht so übel. und schon gar nicht tot. hast du sie noch gesehen, fragte er leise. ja, sagte ich. sie mag dich freddy, er sah zu boden.  ich weiss, sagte ich. er berührte meine schulter. ich drehte mich um. wir sahen uns an. tu mir einen gefallen, sagte ich.  jeden, sagte er. lass das scheiss sakko in grellgrün weg- es passt nicht zu den blauen high heels von isabel marant. ich lachte. und mein vater auch.