Dienstag, 8. Oktober 2013

morgens um 7 ist die welt nicht in ordnung

mein vater hatte mal wieder ein date. das habe ich bemerkt, weil er das bad stundenlang blockierte. als er endlich rauskam roch er wie ein in axe geduschter teenie und sein haar war eine einzige gelkruste, vom restlichen outfit ganz zu schweigen. er hüpfte einbeinig durch die wohnung und suchte seinen sakko, welcher viel zu eng war, aber  in einem unverkennbaren grellgrün, so wie es die bei zara zu hunderten gab. ich musste innehalten, um nicht zu lachen. so stand ich mit meiner kaffeetasse in der hand  in der wohnung und freute mich darüber, dass er urplötzlich um jahre jünger war. wie sehe ich aus, fragte er mich. ganz gut, bis auf die schweissperlen auf deiner stirn, ich musste lachen. und er auch.
mein vater ist seit 9 jahren von meiner mutter getrennt. sie verliess ihn. ich glaube die meisten frauen verlassen ihre männer. sie sind irgendwie konsequenter. mein vater ist ein merkwürdiger vogel. aber ich blieb bei ihm. meine mutter hat eine neue familie gegründet. ab und zu besuche ich sie.
seitdem ist mein vater alleine. hin und wieder schleppte er eine frau an. sie kamen meist nicht nochmal. dann stand mein vater geknickt in der küche, rauchte und schob seine üble laune auf das wetter. er tat mir leid. ich bestellte für uns pizza, fragte nichts, aber ich war froh dass diese damen weg waren. die meisten hatten einen stock im arsch und keine ahnung von familie und kindern, obwohl sie selbst familie und kinder hatten. dann wurde es still im haus. ausser heute. mein vater verschwand mit seinem grellgrünem sakko im treppenhaus, dann in seinem saab und dann war er weg.
am nächsten morgen war die badezimmertüre verschlossen. ich hörte die dusche. sonst nichts. ich ging in die küche und lies die espressomaschine warmlaufen. dann ging die badezimmertüre auf. guten morgen, sagte eine frauenstimme. ich zuckte zusammen. hi, sagte ich. vor mir stand eine kleine person. weiblich. blond. jung und im handtuch eingewickelt. sie strahlte. hast du einen föhn für mich, wollte sie wissen. ich nickte und gab ihr meinen, der seit gestern in der sporttasche lag. danke, sie huschte wieder ins bad. mein vater schien durchgedreht zu sein. jetzt lud er schon teenager zu uns nach hause ein. sauer sah ich aus dem fenster. sie war doch jünger als ich. ok, ich bin 25, aber älter war sie doch ganz sicher nicht. ich hörte den föhn, der auf hochtouren lief, von meinem vater immernoch keine spur. eine weile später stand sie wieder in der küche. sie gab mir den föhn, dann ihre hand. annabelle, sagte sie leise und lächelte. friederike, sagte ich, aber alle nennen mich freddy. scheisse, was sagte ich da? ich kannte sie doch gar nicht. wenn das so ein one-night-ding war, möchte ich doch nicht, dass mich eine annabelle aus sonstwo kennt. und mich freddy nennt. sie setzte sich an den küchentisch. so ganz selbstverständlich tat sie das. und sah sich um. ich machte das radio an. es duddelte der übliche morgentliche mist heraus und ich machte kaffee. auch einen? ich hob die tasse hoch. ja, annabelle fühlte sich wie daheim und mein vater war wohl tot. annabelle hatte ihn totgevögelt. soviel war sicher. und dann hat sie noch den mumm seelenruhig einen kaffee von der tochter des opfers anzunehmen. wie bescheuert.
annabelle stand mit einem satz auf, ging ans radio und stellte einen neuen sender ein. jetzt lief klassik. na herrlich. besser, oder? erwartungsvoll sah sie mich an. ja klar, lachte ich. innerlich musste ich kotzen. komisch für dich nicht wahr, wenn dein vater jemand mitbringt. ich wollte zu mir, aber er bestand darauf. und ich fand die idee dann auch ganz gut. er hat mir viel von dir erzählt, sie lächelte. tatsächlich, ich schob eine augenbraue hoch, von dir hat er nichts erzählt. zeitgleich verbrannte ich mich am kaffee. die musik wurde unerträglich. auch das gespräch. ich kämpfte mit den tränen. annabelle nahm meine hand. tut mir leid, ich wollte dich nicht überfallen. ich kenne das. mein vater lebt auch alleine. werde jetzt mal rübergehen und mich anziehen. muss in die agentur. wenn du magst, können wir mal mittagessen gehen. ich würde mich freuen freddy. sie drückte meine kalte hand,  stand auf und ging ins zimmer meines vaters, der wohl immernoch tot war. dann kam sie raus und sie sah verdammt gut aus. tolle figur und auch noch coole sachen an, so eine hautenge jeans, schwarzes seidenhemd und die blauen high heels von isabel marant, welche ich bei net-a-porter schon tausendmal bewundert hatte. sie warf sich eine feine lederjacke über, gab mir eine kusshand und ging. ich hörte ihre schritte noch lange im treppenhaus.
was hat sich der arsch denn überhaupt dabei gedacht? er schleppte nicht nur eine 30jährige blonde ins haus, nein- er bestand sogar darauf. offensichtlich kannte er annabelle schon länger. scheisse. dann ließ er sich totvögeln oder er stellte sich tot um nicht in diese peinliche situation zu kommen, beide frauen in seiner küche stehen zu haben. und das morgens. morgens um 7. doof ist er nicht. tatsächlich nicht. und annabelle auch nicht. scheisse!
irgendwann  kam er in der küche. unsicher. in boxershorts und weissem t-shirt. das gel rieselte aus seinem haar. und überhaupt sah er ziemlich zerknittert aus. aber gar nicht so übel. und schon gar nicht tot. hast du sie noch gesehen, fragte er leise. ja, sagte ich. sie mag dich freddy, er sah zu boden.  ich weiss, sagte ich. er berührte meine schulter. ich drehte mich um. wir sahen uns an. tu mir einen gefallen, sagte ich.  jeden, sagte er. lass das scheiss sakko in grellgrün weg- es passt nicht zu den blauen high heels von isabel marant. ich lachte. und mein vater auch.