Freitag, 28. Juni 2013

fin de semaine

Mittwoch, 26. Juni 2013

zimt und sahne

sie roch nicht wie andere. sondern nach zimt und sahne. ich möchte sie bewusst nicht eine prostituierte nennen, aber sie war eine. jeden donnerstagnachmittag um halb vier traf ich sie. zum reden. in einem café. oft habe ich mich gefragt, weshalb ich sie nicht komplett in anspruch nahm. aber es ging nie darum. ich wollte reden. das fehlte mir. den rest hatte ich.
so trafen wir uns seit über 6monaten. egal ob es draussen regnete, schneite oder die sonne schien. wir redeten über alles. über ihren job. über meinen job. über meine kinder. über ihren freund. über meine frau. über meine freundin. über ihre mutter. nach einer stunde war alles gesagt. und jeder ging seinen weg.
vorletzten donnerstag kam sie nicht. auch letzen donnerstag nicht. ich rief nicht an. ich schrieb ihr. sie antwortete nicht. ich schrieb nochmal. wieder antwortete sie nicht.
heute sitze ich an meinem platz im café und tippe genau diese zeilen. es ist kurz vor 4uhr nachmittags. es regnet. jede türe, welche sich öffnet, lässt mich freudig aufblicken. doch sie ist es nicht. ich weiss nicht, ob was passiert ist oder ob sie einfach keine lust mehr hat. keine lust mehr hat auf die gespräche oder auf diese merkwürdige art ihre arbeit zu erledigen. ich weiss es nicht. ich weiss nur, dass ich sie vermisse. ihren strengen dunkelblonden pferdeschwanz, ihre weichen augenbrauen, ihre grünen augen und ihre zahnlücke. ich mag ihre stimme und wenn sie lacht. sie ist klug. doch wollte sie nie mehr daraus machen. später mal, sagte sie oft. später mal, wenn ich genug geld habe, sagte sie. und sie meinte es ernst. wieder geht die türe auf. wieder ist sie es nicht. in mir sticht was. so etwas wie aufregung, welche langsam in trauer übergeht. es ist kurz vor 5uhr nachmittags. ich verlange die rechnung. hole meinen mantel. die aktentasche. und plötzlich rieche ich zimt. und sahne. ich drehe mich um und schaue sie an. ehe ich was sagen kann, umarmt sie mich. drückt ihr gesicht fest an meine brust. und weint. ich halte sie. streichle ihren erhitzten kopf. ich will nicht wissen, was passiert ist. ich will keine fragen stellen. ich beruhige sie. ich merke, dass sie mehr nach zimt riecht, als nach sahne. und es gefällt mir. dann schaut sie mich an. wie ein kleines mädchen. ihre augen gerötet, wie auch ihre nase.
ich öffne die türe und wir gehen. es ist kurz nach 5 uhr nachmittags. und der regen hört auf.


Montag, 24. Juni 2013

weisse laken

'bist du noch da?'
'ja!'
'für immer?'
'ja!'
'auch wenn ich alt bin und bald aussehe wie eine rosine?'
'ja, auch dann!'
'auch wenn ich böse bin?'
'ja, denn du bist nicht böse!'
'auch wenn ich krank bin?'
'ja, besonders dann!'
'wirklich?'
'ja, wirklich.'
'warum?'
'weil es dich exakt nur einmal gibt, deshalb bin ich da!'
'jetzt muss ich weinen!'
'auch da bleibe ich bei dir!'
'ok!'
dann machte sie die augen zu.

Donnerstag, 20. Juni 2013

Donnerstag, 13. Juni 2013

5 sekunden ewigkeit

frankfurt 12.06.2013. JP morgan lauf.  über 69.000 läufer. die stadt im fröhlichen ausnahmezustand. maximale menschendichte. überall bunte funktionskleidung. fresspakete. apfelsaftschorlen. hier und da roch man deo. hier und da fehlte es. lautsprecher. musik. absperrungen. menschenmassen. fast wie bei einer demonstration. ein leichter wind wehte und um 7.30 p.m. fiel der startschuss. so liefen alle los. mit bäuchen. mit krampfadern. mit six - oder eightpacks. sport-BH's. gewinnergedanken. gedanken an das abendessen. gedanken an die siegerehrung. gedanken an die knackige kollegin. gedanken an den ehegatten auf der couch. gedanken an bier. gedanken ans pinkeln. gedanken an den lahmarschigen abteilungsleiter. gedanken an die kinder im bett. freude lag in der luft. freude und spannung.
plötzlich tat es einen unüberhörbaren knall. kurz bewegte sich die erde. irgendwo. dann schreie. hilferufe. die homogene menschenblase bewegte sich wild auseinander. man konnte es auf den livebildschirmen verfolgen, jedoch nicht sehen was passiert ist. massenpanik brach aus. die läufer trieben wie gehetztes vieh durch die strassen, rannten  bierbänke, tische und wurststände um. rissen schaulustige mit. man sah blutende menschen. schreiende menschen. bleiche menschen. in ohnmachtfallende menschen. die musik wurde abgelöst von notarztsirenen. einsatzkräften. hubschraubern. doch was war passiert? die sicherheitskräfte schirmten so gut wie möglich alles ab - doch gelang es ihnen nicht, die sich ausdehnende panik einzudämmen.
im unteren teil des reuterwegs musste was passiert sein. aus der richtung kamen die teilnehmer zurück-rannten gegen den strom. zum teil blutüberströmt. dann wussten wir es. ein sprinter hatte eine bombe am körper. er sprengte sich in die luft. es geschah um 8.15 p.m. er riss sich und andere in den tod. nun rannten alle. alle rannten um zu überleben. alles was sich bewegen konnte - bewegte sich. blaulicht überall. schock. angst und letztendlich betroffenheit. dann wurden die strassen langsam leer. die verpflegungsstände und tribünen wie ausgestorben. hier und da lagen laufschuhe. trikots. taschen. kameras.
die sekunden an den digitalen stopuhren liefen jedoch weiter. doch brauchten sie eine ewigkeit.

Montag, 10. Juni 2013

sieh hin!

Dienstag, 4. Juni 2013

anti-fräulein

als ich sie kennenlernte war sie 17. sie war schön, energisch & wusste immer was sie wollte. auch wenn sie immer sagte, dass sie nie wüsste was sie wollte.
sie trug die seidenkleider ihrer verstorbenen oma, heimlich die pumps ihrer mutter & rauchte die gauloises ihres bruders. ihr vater starb als sie 5 jahre alt war. sie wollte die schule mit 17 schmeissen und abhauen.
ständig erzählte sie mir vom ausland. vom meer und von traurigen liedertexten, welche sie auf der gitarre spielte. sie hasste pferde, mochte aber reiterstiefel. bodenständig sind die, lachte sie. dabei warf sie den kopf zurück. sie sah ganz wunderbar aus. oft stiegen wir ganz leise in den weinkeller ihres opas herab und fanden rotweinschätze, welche wir dann am fluss austranken. ich hatte dann mut & sang, wenn auch schiefe melodien & sie spielte dazu roma -balladen. manchmal war sie weit weg. ich konnte ihre einsamkeit und ihren hunger in ihren augen sehen. so anmutig sie war, so widerspenstig konnte sie sein. sie fluchte. so laut, dass mir angst und bange wurde. sie beschuldigte mich. sie beschuldigte ihre mutter. ihre verstorbene oma. schlampen seid ihr, schrie sie, ihr bringt die männer nur ins grab. scheiss schlampen, das waren wir in ihren augen. was war sie? einmal fragte ich sie, da packte sie mich am hals und sagte, 'ich bin kein mädchen. ich bin keine frau. ich bin das dazwischen, ich bin ein anti-fräulein. ich passe nirgens rein. verstehst du?' ich schluckte damals. wenn ich sie nicht so geliebt hätte, wäre ich für immer fort gegangen. aber sie hielt mich. ihre ausstrahlung ließ mich immer verblassen. sie war ein magnet. neben ihr war ich jemand. ohne sie fühlte ich mich wie im schattenland. ich wusste dass es falsch war so zu denken, aber sie liebte mich. auf ihre art. sie kämpfte um mich. beschützte mich. baute mich auf. um mich dann wieder nackt zu machen. aber ich liebte sie.
es vergingen paar jahre. ich traf sie in madrid, wo sie eine tanzschule leitete. sie hatte sich nicht verändert. ihr gesicht war nur etwas strenger, die augen dafür weicher. sie umarmte mich. hielt mich lange fest. dann zog sie sich die hohen tanzschuhe aus, nahm meine hand und zeigte mir barfüssig den  innenhof. es war sehr warm.
wir setzen uns an den kleinen springbrunnen und tranken eiskaltes wasser. ich fühlte mich wie neunzehn. ich fühlte mich nicht alleine, wenn sie bei mir war. sie war klug. ungebrochen und stark.
kannst du dich an den kleinen jungen erinnern, fragte sie mich dann. ich wusste nicht, was sie meinte. schau nicht so, meinen kleinen jungen, sagte sie lauter. nein, ich wusste nicht welchen kleinen jungen sie meinte. 'vor paar jahren, als ich wegging, da wurde ich schwanger. ich wusste es erst nicht. pirro sollte er heissen. ich konnte seinen herzschlag noch nicht fühlen, aber er war da. eines tages verlor ich pirro. er starb in meinem körper.' ich sah sie an. tränen rollten über ihre wangen, über meine auch. ich umarmte sie. hielt sie. ihren körper ein kleines muskelgeflecht. mittendrin das grosse, aber schmerzende herz. ich trank, flüsterte sie.  ich trank und trank, ich trauerte ihm nach. ich wollte niemanden sehen, verprügelte eine schülerin der schule hier, erzählte sie noch leiser. scheiss schlampen, sagte sie dann, wischte sie sich die tränen weg und schaute zum himmel, sie bringen die männer doch alle ins grab'.  ich nickte. und wusste, dass sie recht hatte.