Sonntag, 15. September 2013

der fisch auf eis

der vorfall im aufenthaltsraum machte mich immernoch wütend. und kühl. ich hatte keine lust mich mit claude mehr als notwendig abzugeben. ich war sogar kurz davor mit dolores zu reden um ihn weiter in die küche oder in den restaurantbereich zu befördern. seine unprofessionelle art ging mir auf den keks. da ich jedoch nicht unmenschlich sein wollte, ließ ich claude vorerst bei uns. aber ich arbeitete förmlicher, war nicht mehr für jeden spass seinerseits zu haben und brummte ihm viel arbeit auf. er selbst wurde stiller, seine witze trauriger und seine blicke flehten mich an. seine schönheit kam jedoch täglich mehr zum ausdruck, ich nehme an, weil er zunehmender litt. das machte mich erst nachdenklich, dann jedoch war es mir egal. ich erledigte meine dinge. das ganze etwas strenger, kontrollierter und ohne charme.
nach einer woche bat mich dolores in ihr zimmer. was ist los mit dir, sie nahm ihre kleine brille ab. wieso bist du wie ein eisklotz, wo ist dein humor geblieben, deine sensible art? du bist grantig, so kenne ich dich nicht. was ist passiert,  fragend sah sie mich an. ich blieb stumm. ich wusste nicht ob ich wütend oder traurig sein sollte. ich starrte auf dein weichen teppich. hat das ganze möglicherweise mit claude zu tun? sie setzte ihre brille wieder auf. ich nickte und sah zu boden. das hätte auch ein blinder gemerkt, sagte sie. ok, was soll ich tun, ihn in den restaurantbereich versetzen? soll er vielleicht kartoffelschälen, gänse stopfen oder gingläser für die bar polieren? sag es mir, dolores stand auf. merkst du eigentlich was du in den menschen auslöst? merkst du dass menschen dich mögen? dich bewundern oder sich sogar möglicherweile in dich verlieben? ist dir das fremd, dolores lief durch das zimmer. du hast recht meine liebe, dass das am arbeitsplatz nichts verloren hat. sicherlich nicht, aber du warst bereit die arbeit zu deinem leben zu machen. so wie ich es vor 40 jahren tat. also lebe auch. moral hast du zur genüge im leibe, aber sei nicht so kalt wie ein fisch, der unten in der küche auf eis liegt. mehr musst du nicht tun. lebe einfach. sei du. ich sah weg und versuchte den faustgrossen kloß in meinem hals runterzuwürgen, es gelang mir nicht. ich war weich wie butter. die tränen liefen mir die frischgerougten wangen runter und ich biss mir die halbe unterlippe auf. dolores sah mich an, nahm meine hand und drückte sie fest. ich verstehe dich, sagte sie. es darf auch dir passieren. die vergangenheit sitzt tief, das kenne ich. aber dafür wird man älter und auch weiser. ich werde claude in den servicebereich schicken, dann wird er mehr über den umgang mit den gästen erfahren. er wird dich nicht mehr durcheinander bringen, dolores verließ den raum und ich fühlte mich alleine wie noch nie.