Samstag, 3. August 2013

signora foresta

sie kam in einem elfenbeinfarbenen rolls royce. das grand hotel zitterte bei jeder ihrer anreise. in der lobby versammelten sich der hotelmanager, der stellvertretende hotelmanager, dolores als 1. hausdame, der revenuemanager, die restaurantleitung & noch paar, welche ich nicht erwähnen brauche.
sie bewohnte die suite in meinem stockwerk. dolores persönlich hat alles gereinigt und in letzter sekunde noch die lieblingsblumen der signora foresta besorgt, die italienische und die japanische vogue, einen hochkonzentrierten lavendelduft und in der bar wurden zusätzlich zwei flaschen gin bereitgestellt. es fehlte an nichts und dieses tagelange theater um diese person hatte mich neugierig gemacht. ich konnte mir nicht im geringsten vorstellen, was für eine art von frau das sein sollte. ein monster, sagte dolores. eine unzufriedene primadonna, erzählte sie weiter, niemand mag sie, jeder hat angst vor ihr.
meine schicht fing am nächsten tag sehr früh an. ich wollte nicht aufstehen, dann fiel mir ein, dass ich gegen elf uhr die suite der gefürchteten dame mit bearbeiten durfte. sofort fühlte ich mich wohler. schliesslich wollte ich doch wissen, wie eine primadonna so lebt.
wir hatten alle glück. die foresta wurde zu einem bankett geladen, so verliess sie vor mittag noch das haus. dolores rief an, dass ich mit noch drei anderen bewaffnet die suite übernehmen konnte. ich gab es nicht weiter und steuerte zunächst alleine auf die suite zu. als ich die türe öffnete erstickte ich fast im lavendel- und lilienduft, drei räume wurden gar nicht genutzt, sie lag wohl seit gestern nur im bett. ihre kleidung lag zerstreut im ankleidezimmer, neben dem bett stand eine fast leere flasche gin, eine schlafbrille und herrenlose zeitungsblätter. sie hatte solch ein apfelteil, so einen ipod. paar blütenweisse kopfhörer hingen dran und ich hörte rein. es wimmerte mir eine oper ins ohr, ich hatte keine ahnung davon, doch bekam ich sofort eine gänsehaut. ich sah mich im badezimmer um. sie nutzte eine duschhaube, obwohl ihr friseur mitreiste. ich fand einsame wattebäuschen in der toilette, alle handtücher auf dem boden, chanel no.5 und drei lockenwickler in einem der waschbecken, ein seidener morgenmantel in nachtschattenblau hing an der türe, darunter ein schwarzer ein spitzenBH der grösse 80C. ihre pumps fand ich auch im badezimmer und paar nylons. auf dem sekretär lagen noch persönliche dinge herum, wie eine kreditkartentasche und ein armband. es sah sehr kostbar aus. daneben befand sich ein portemonnaie aus feinstem schwarzen ziegenleder. ich öffnete es. darin fand ich sich zwei bilder. eines war eine schwarzweissaufnahme, an den rändern gewellt und vergilbt. es war ein mann abgebildet. er hatte schwarzes, seitengescheiteltes, kurzes haar und buschige augenbrauen. das andere foto war vergleichsweise neu. eine farbaufnahme zeigte einen jungen mann, auch mit dunklem haar und grünen augen. er lächelte. ich drehte beide bilder um, das vergilbte zeigte eine jahreszahl, 1957 konnte ich entziffern, mit blauem füllfederhalter geschrieben. das andere trug nur einen namen, stefano, auch mit blauem füllfederhalter geschrieben. schnell steckte ich beide fotos wieder zurück. der lavendelgestank wurde unerträglich. ich öffnete die balkonfenster und rief die anderen mädchen an. jetzt konnten wir anfangen.
zwei stunden später erschien dolores, um nach dem rechten zu sehen. habt ihr auch an den balkon gedacht? da draussen sind mindestens fünf gefüllte aschenbecher. sie raucht wie ein schlot, dolores verdrehte die augen. ich war gedanklich noch mit den fotos beschäftigt, dass ich nicht mal bemerkt habe, dass die foresta eine kettenraucherin war. die aschenbecher waren tatsächlich randvoll. sie raucht nicht nur, sie trinkt auch gerne, dolores zeigte auf die 3 ginflaschen in der minibar. es war mir egal, was dolores von ihr hielt. es war mich auch egal, ob sie eine erbin einer sehr bekannten bank italiens war, ich würde sie gerne sehen die signora foresta, vor welcher das hotel tierisch schiss hatte. irgendwas musste sie doch haben ausser geld. was war es nur? wenn dolores was nicht erzählte, fragte ich auch nicht danach. das habe ich in diesem haus gelernt. es werden keine fragen zu den gästen gestellt. man wird aufgeklärt, auch manchmal gewarnt, aber fragen braucht man dann keine mehr zu stellen. der gast ist wie er ist. und er ist könig.
gegen späten nachmittag erschien die foresta mit ihrem gefolge und verzog sich schnell in ihre suite. ich hatte den eindruck dass fast alle den atem anhielten, solange sie bei uns war. alle schlichen um die suite herum und schauten besorgt die tragbaren telefone an. jeder wusste, dass sie in der lage war blitzschnell die suite zu wechseln, wenn nur eine einzige kleinigkeit nicht stimmte. es stimmte tatsächlich etwas nicht. die foresta wollte eine andere suite. der zimmerservicemanager gab es kommentarlos an dolores weiter. es brach stille hektik aus. aber nicht in mir. ich lächelte. vielleicht verloren die lilien zu schnell ihre blätter, vielleicht war die suite um ein grad kälter als gestern oder die foresta ist auch fast am lavendelduft erstickt. sie wusste was sie wollte die foresta. etwas drama tat uns wohl allen gut. wir rechneten ja schon damit. wir wurden aufgefordert, ihre sachen in die suite im gegenüberliegenden flügel des hotels zu bringen. dazu holten wir eine rollbare gepäckstange, welche uns das tragen vereinfachte. da sie ein weiblicher gast war, war es üblich, dass die hausdamen den umzug vornahmen. ich fragte mich, was nicht gestimmt hatte. bestimmt würde ich es bald erfahren. dolores war verärgert, weil alles in bester ordnung war. als ich die suite betrat saß die foresta noch auf dem balkon. sie rauchte und telefonierte. ich verstand kein wort. nachdem ich paar sachen auf die gepäckstange gehängt hatte, kam sie herein. barfüssig. der nagellack in koralle. ihre braunen beine waren wohlgeformt, doch ziemlich in die jahre gekommen. sie trug ein seidenkostüm in hellem beige. das haar war schulterlang, dunkelblond gefärbt und hatte lockige enden. ihr gesicht war jünger als ihre beine. keine falte. nicht mal der zorn verirrte sich da. ihre augen waren kühl, aber nicht kalt. ihr mund etwas verkniffen. aber auch mit korallenfarbe geschmückt. sie war nicht gross. und sie beachtete mich nicht weiter, sondern huschte mit ihrem mobiltelefon durch das zimmer, hinter ihr her eine wolke der üblen zigarettenmarke. es ist soweit signora foresta, sie können jetzt gerne die anderen zimmer beziehen, dolores setzte ihr künstlichstes lächeln auf. danke, die foresta verschluckte sich fast an diesem wort und verliess barfüssig den raum. im gang hörte ich sie wieder telefonieren. die frau hatte stil und wusste um ihre macht. soviel war klar.
wenige augenblicke später war alles untergebracht und die foresta hatte noch etwas zeit, bis sie wieder im hotelrestaurant auftauchen musste. so konnte man frisches wasser aufs zimmer bringen, lüften und in ihrem fall auch nach dem gin schauen.
in aller seelenruhe erledigte ich diesmal alles. gerade war ich in einem ihrer badezimmer, als plötzlich die türe aufschnappte und die foresta ihre suite betrat. ich zuckte zusammen, schnell kam ich mich aus dem badezimmer. ich sah sie an und bevor ich sie begrüssen konnte, winkte sie seufzend ab und ging auf den balkon. ein windstoß der ekelerregenden zigarettenmarke erfüllte sofort den raum. sie saß draussen und rauchte. die beine auf dem tisch, neben ihr ein glas gin. es war kurz nach sieben uhr abends. die sonne brannte noch und langsam wachte die stadt auf. ihre pumps lagen auf dem boden, auch ihre kleine handtasche aus gold.
ich trat zu ihr um sie zu fragen, ob sie noch wünsche hatte. sie sah in die ferne und schüttelte langsam den kopf. dann sah sie mich an. weshalb bist du ein zimmermädchen geworden, fragte sie, du siehst aus wie eine schauspielerin. ich schluckte. da brauchst du gar nicht so zu schauen meine liebe, es gibt nicht viele, die hier aus der reihe tanzen, du schon. sie trank noch einen schluck, du bist doch nicht hier, um tatsächlich meinen scheiss wegzuräumen, du bist hier, weil du mehr über die menschen wissen möchtest. eine zeitzeugin sozusagen. stimmt doch was ich sage, wild fuchtelte sie mir ihrer zigarette herum, dann umfasste ihre hand das glas und mit einem zug war der inhalt verschwunden. dann sah sie wieder in die ferne. ich fühlte mich ertappt und sagte kein wort. die foresta auch nicht. so verging eine gefühlte ewigkeit. glaub mir schätzchen, ich war auch mal ganz woanders. nie hätte ich gedacht, all das zu mal haben. aber alles hat seinen preis. und der kann sehr schmerzhaft sein. sie drückte die zigarette aus, welche komplett heruntergebrannt war. mit einem ruck stand sie auf. fischte nach ihren schuhen und ihrer handtasche und ließ mich alleine auf dem balkon zurück. so stand ich da, bis ich das brennen der sonne nicht mehr spürte und das piepen meines telefons in meiner putztracht nicht mehr hörte.