Mittwoch, 24. Juli 2013

in einem hotel

ich war arm. also musste ich in die grosse stadt abhauen. ich hatte nie was gelernt und so ungebildet wie ich war, waren mein aussehen und mein fleiss meine einzigen waffen, um an die reichen und schönen zu kommen. der rest war mir egal. schnell lernte ich, was make-up und nagellack waren und wie man sich damit sorgen wegschminken konnte. ich lernte was hohe schuhe mit meinen beinen machten und wie man weisse zähne bekam, ohne sie öfter putzen zu müssen. ich fing erst an zu atmen, als das dorf beim wegfahren hinter mir immer kleiner wurde.
die grosse stadt war abweisend. ich fühlte mich alleine. ich sprach oft mit gott, denn er war der einzige der mich verstand und immer bei mir war. ich suchte arbeit und landete in einer wäscherei, welche hotels mit frischer wäsche belieferte. die bezahlung war gut. die arbeit sauber. es war sehr heiss, meist über 40 grad, vor allem im sommer. es waren viele frauen dort. alte. junge. schöne. hässliche. ich redete nicht viel. passte mich an. es war mir egal. mich interessierte nur das geld. ich konnte mir ein zimmer leisten. in einer schlechten gegend, aber auch das war mir egal. bald wurde in der wäscherei bekannt, dass zwei frauen gesucht wurden. sie sollten im grand hotel fest angestellt werden. ich betete zu gott. grand hotel.  ich träumte von  hotelzimmern mit weisser geruchloser bettwäsche, von teppichen, welche wunderbar nachgaben, wenn man drüber lief, von duschen, die gross waren wie mein zimmer und von kaffee, der morgens auf dem silbertablett serviert wurde. da wollte ich hin.
zehn tage später hatte ich die stelle bekommen. dort wimmelten sie. die schönen und reichen. bei mir auf dem dorf gab es viele schöne frauen. sie ließen sich kinder machen. drei, vier und mehr und blieben auf ihren fetten hintern in schäbigen häusern sitzen. wie oft sie auch beteten und in die kirche rannten, es nutzte nichts. sie blieben arm und wurden auch noch oft geisteskrank. deshalb bin ich weg. ich wollte mich nicht unterwerfen und irre werden. in der grossen stadt war ich zwar nur eine nummer oder ein rädchen. sie wissen was ich meine. hier ist alles anonym. das hat mir gefallen. auf dem dorf war man ja auch ein nichts. auch im hotel. hier war man nur eine von vielen. aber viele fleissige gab es nicht, auch nicht viele schöne. ich arbeitete tagschicht. nachtschicht. ich sparte das geld, schickte ab und zu was zu meiner mutter ins dorf. schickte aber keine worte dazu. mir war wohler dabei ihr nichts zu sagen. ich wollte zimmermädchen werden, nicht nur, um die dreckige wäsche der reichen zu waschen, sondern auch zu sehen wie sie lebten. ich wollte in diesen zimmern barfüssig rumlaufen, das parfüm der gäste riechen, über die edlen kleider streichen und ihre musik hören.
als die nächste ausschreibung anstand, machte ich mit. ich habe meine sprache aufgebessert, indem ich die veralteten zeitungen der hotellobby mitnahm und nachts las. ich hörte verschiedene kulturelle radiosender, um mehr über die welt zu erfahren. einen fernseher konnte ich mir nicht leisten. ich kaufte drei bücher. und ich betete jeden tag. an einem abend, kurz vor der nachtschicht, kam der zimmerservicemanager . ja, der zimmerservicemanager. welch ein komischer name, nicht wahr? ich fand ihn eklig und arrogant diesen kerl, aber an ihm musste ich vorbei.  in seinem büro war es kühl und er fragte mich, weshalb ich zimmermädchen werden wollte. ich sprach von fleiss und meiner weltoffenheit und hoffte, dass gott noch bei mir war. der zimmerservicemanager nahm das ende des dicken füllfederhalters kurz in den mund und sagte mir dann, dass wir es mit mir probieren würden. mein herz zersprang. doch zeigte ich es nicht.
einen tag später wurde mir eine frau vorgesetzt. sehr klein. sehr rund. mit einem ruhigen blick. ihre hände sahen samtweich aus. über zwanzig jahre sei sie schon hier. sie sollte mich anlernen. so lernte ich dolores kennen.