Montag, 20. August 2012

abends

'ja?'
'ich bin es.'
'bist du verrückt? weshalb rufst du zu hause an?'
'ich konnte nicht anders. du hast auf meine anrufe nicht reagiert. nicht auf die emails. auf nichts.'
'ich habe meine gründe.'
'welche gründe?'
'ich liebe meinen mann.'
'das hast du damals auch gesagt.'
'niemals! ich habe niemals über meinen mann gesprochen!'
'doch hast du. erinnere dich. damals im tiefsten winter. dabei hast du dich an meinen arm gekrallt.'
'sag das nicht. ich möchte das nicht hören.'
'doch du willst es hören.'
'nein! ich lege sonst auf. verdammt!'
'du hast dich erst an meinen arm gekrallt, um mit deinen kleinen hohen schwarzen pumps schneller durch die schneeglätte zu kommen. dann hast du dich in diesem café an meine augen gekrallt. dann...'
'hör auf!! '
'dann hast du dich an meinen nacken gekrallt, während ich dir vorgesungen habe.'
'schluss!'
'du bist mir durchs haar gefahren. immer und immer wieder!'
'nein, ich hasse das. das habe ich nie getan!'
'und dann hast du deine lippen auf meine gedrückt. sachte, ganz sachte war das. ich roch den bescheidenen rotwein.'
'scheisse! warum? warum erzählst du mir das?'
'weil nicht nur ich es als schön empfand, sondern auch du! aber du rennst weg!'
'ich renne weg vor einer affäre?'
'nein! weg vor mir!'
'du warst meine affäre.'
'ich fühlte dass es mehr war.'
'war es niemals!'
'du hast dich nackt auf mich gelegt. du warst kühl und warst wärme nicht gewohnt. ich habe dein haar berührt. dein gesicht. deine kindliche stirn. du hattest die augen geschlossen. wie ein kleines mädchen. es hat mich gerührt.'
'ich lege jetzt auf. du nutzt meine geduld schamlos aus.'
'nein. danach hattest du mich schamlos ausgenutzt. in diesem billigen hotelzimmer. und es war das schönste ausgenutzt werden, welches ich je hatte. wir haben uns oft getroffen. hast du das vergessen?'
'nein. habe ich nicht.'
'das weiss ich.'
'aber ich liebe ihn.'
'du liebst ihn, weil er dich schützt. mich begehrst du. vor mir fürchtest du dich. dabei liebe ich mehr als ihr beide zusammen.'
'ich kann das nicht.'
'nicht mehr. ich weiss. du hast angst. angst alleine dazustehen. angst von vorne anzufangen. angst, dass alles was aufregend war, dann nicht mehr aufregend sein könnte. sondern gewöhnlich. so verdammt gewöhnlich.'
'so ein blödsinn!'
'oh doch. deine grösste angst ist zu sein wie alle anderen. jeden morgen wachst du mit diesem gedanken auf. stehst um kurz vor 7 auf. rauchst zum espresso eine zigarette. du putzt wie wild deine zähne mit aufhellender zahnpasta. dann rennst du von pilates zur buchhandlung. von der galerie zum friseur. vom biometzger zur apotheke. zur grauen jogginghose trägst du die silberne rolex deines mannes. einen pferdezopf. ein zu enges weisses t-shirt. kein BH. die neue brille ist aus horn. die handtasche dient der einkaufstasche. du bist unruhig. du konsumierst. du fährst zu schnell und würdest nie mehr primitiven rotwein trinken. deine kinder gehen auf eliteschulen. du versuchst dich im klavierspielen. im briefeschreiben. du hast dank der tageszeitung paar langweilige kolumnen veröffentlicht. du schickst anonyme spenden an die brustkrebsstiftung. und du hast angst, dass deine falten sich tiefer graben, als dich jemals ein gefühl nur so tief erreichen kann. du versuchst alles. alles um im gewohnten zu bleiben, aber dabei ungewöhnlich zu sein.'
'du bist verrückt!!'
'ja. nach dir. nach deinem kampf. nach deinem stummen schrei. deinem versteckspiel. deiner haut. deiner hingabe. deinem herzen. ich liebe dich.'

tut tut tut