Montag, 14. Mai 2012

letzten monat

zog eine frau im haus gegenüber ein.

sie ist mitte vierzig. vielleicht auch jünger. aber sie sieht älter aus. von weitem zumindest. mein mann sah sie auch. aber sie interessiert ihn nicht. ich denke, weil sie einfach zu dick ist. mein mann mag keine dicken frauen. dick ist das synonym für trägheit und disziplinlosigkeit. so habe ich es mitbekommen. ich schaue ihr gerne zu. wie sie mit ihren breiten hüften in wolljacken gekleidet durch ihre küche schlurft. nein. von leichtigkeit keine spur. ich weiss. aber irgendwas hat sie. vielleicht- vielleicht weil sie alleine ist. selbsständig. unverheiratet oder geschieden. sie raucht am fenster. verrenkt sich. umwickelt mit ihrer masse das fensterkreuz, damit kein müder qualm in ihre küche zieht. dann saugt sie an ihrer zigarette, als ob es ihre letzte wäre.

neulich nachts. ich musste pinkeln und wollte mir noch eine wasserflasche aus der küche holen- da sah ich sie. sie sass im dunkeln ihrer küche. nur der offene kühlschrank warf licht auf sie. sie aß was. nein sie verschlang es. dann sah sie rüber. rüber zu mir. ich stand wie angewurzelt in meiner schwachbeleuchteten küche. die wasserflasche fiel mir fast aus den händen. scheisse. sie hat mich entdeckt. mich. und ich deckte ihr geheimnis auf. ihre nächtliche begierde. ich drehte mich um und legte mich ins bett.
am nächsten tag musste ich erst wieder daran denken, als ich beim espressokochen rüberblickte. es war sehr früh. frische luft zog durch mein küchenfenster. drüben sah es duster & grau aus. wahrscheinlich schlief sie.
als ich von der arbeit kam, packte ich meine eingekauften sachen in den kühlschrank. ich sah einen badeanzug an der kleinen wäscheleine vor ihrem fenster hängen. er tropfte. sah aus wie aus einer aus den 80igern. aber nicht der sexy-einteiler mit schwindelerregend hohem beinausschnitt. nein. eher das schulsportmodell. wie das meiner damaligen sportlehrerin. sie war auch dick. stark geschminkt. und hatte einen schmeissfliegenblauen fussnagellack. ihr badeanzug spannte. überall. vor allem über ihrem schamhaarberg. ja. genau so einer war das.

ich erzählte meinem mann von ihrem badeanzug. 'sie schwimmt?' 'ja!' antwortete ich. 'fett schwimmt bekanntlich oben!' mein mann wollte witzig sein. war er aber nicht. seine überheblichkeit nervt.
wäre sie eine junge schlanke frau- würde er sie wohl still beobachten. und so tue ich es. ja. ich sehe manchmal in menschen mehr als ihre schöne haut. mehr als ihr perfektes lächeln. mehr als ihre bildung. mehr.  doch selbst möchte ich keine andere sein. nicht dick. nicht hässlich. nicht disziplinlos. ist das mutig? oder mache ich es anderen nur recht?
manchmal würde ich auch gerne an ihrer zigarette saugen. vielleicht atmet sie da mehr selbstbewusstsein ein, als ich auf dem fitnessrad. vielleicht ist es marke la-dolce vita. und nicht ein reines gift -oder krebsmittel. vielleicht hat sie sex. viel sex. vielleicht nicht mit einem mann. vielleicht mit vielen. alten. jungen. hungrigen. satten. sie nimmt sich was sie will. so wie sie sich nachts ihr mittagessen vom vortag aus dem kühlschrank sucht und gierig verschlingt.

vorhin war sie wieder am fenster. wie ich auch. sie hatte ihre haare im handtuch. zu so einem turban getürmt. und sie rauchte.  in ihrer verkrampften haltung. wie sonst auch. neben ihr auf dem fensterbrett standen 2paar kleine kinderschuhe.

ich trank einen grossen schluck wasser und ging zu bett.