Mittwoch, 12. Dezember 2012

die märkte an weihnachten

kichernd. weihnachtsliedersingend. engumschlungen. so wanken sie von den weihnachtsmärkten abends zurück. für ein paar stunden sind sie die siamesischen zwillinge, welche sich zusammentun, um die kälte da draussen zu überdauern. eine partnerwahl auf dem christlichen weihnachtsmarkt? wie kann das denn in städtischer masse entstehen?
vielleicht so, dass sich mann und frau entweder am glühweinstand zufällig anrempeln oder sie werden von bekannten oder arbeitskollegen einander vorgestellt. gefällt man sich? dann geht es weiter. schnell wird die noble büroblässe durch das rot der kälte abgelöst. die zunge wird durch den promilleanteil schneller. die augen grösser, so wie man das von kindern an weihnachten kennt. unauffällig wird noch an der frisur herumgezupft, welche gottseidank das 10stunden firmenchaos überlebte und man stellt sich trotz abendlicher müdigkeit aufrechter hin, streckt bestenfalls die brust raus- fertig. der balzakt beginnt. man erzählt zunächst vom wetter. den eisigen temperaturen. und dass es die letzten jahre gar nicht diese sibirische kälte hatte. man redet über den magen-darm-virus und winkt glücklich ab, dass dieser an einem vorbeizog. man erzählt  dann lieber von neu erworbenen winterreifen. dem wintermantel, der immerhin 20% cashmereanteil hat. der ski-ausrüstung. dem winterurlaub. dann geht man über zum sommerurlaub. dabei rückt man näher zusammen, weil es doch so verdammt kalt ist. dann wird erzählt von der arbeit, der verantwortung, vom vorweihnachtsstress und dass es so schnell dunkel wird. irgendwann wird frischer glühwein für die runde geholt, was meist die herren tun. ein gang zum klo gemacht, was meist den damen freude bereitet, vor allem wenn sie im kollektiv gehen dürfen. spätestens dann, und das ist bei frau und mann gleich- mit jedem schritt nimmt man die aufmunternde leichtigkeit in den beinen wahr -kälte und büro sind vergessen. dann kehrt man zum rudel zurück,  wird durch viel aufmerksamkeit und wärmende getränke belohnt. man lacht über flache witze, welche bald die gürtellinie erreichen. man holt sich schnell zu zweit eine rostbratwurst, obwohl man auf diät ist oder gar kein schweinefleisch mag. danach wirft man magenbrot, welches bekanntlich dem magen gut tut, und paar gebrannte mandeln hinterher. der zahnarzt wird's nächstes jahr schon richten.
dann singt man quälende weihnachtslieder. hält sich an den rostroten händen oder sogar schon an anderen körperteilen. vielleicht verborgen oder sogar offensichtlich. schliesslich ist der markt gross und jeder will erobern oder erobert werden. die damen rivalisieren langsam. die herren auch. da wird vom dynamischen fahrwerk des neuen audi a7 erzählt, dem zukünftigen eigenheim am berg und der uhr, welche man sich selbst zum geburtstag gegönnt hat. die damen berichten, dass ihr körper nicht viel sport braucht, um so knackig zu bleiben, sex mit frauen gar nicht so schlecht ist und dass das kochen von rinderrouladen ein kinderspiel ist.
da verabschieden sich schon die ersten. langweiler, würde man sagen. wer will denn schon nach hause? in die öde 3-zimmerwohnung, wo es zwar eindeutig wärmer ist, aber da fehlt es doch eindeutig an menschenwärme. gerade jetzt. zu weihnachten. daheim ist das fernsehprogramm doch festgefroren und die mulde in der couch erinnert an sehr leere zeiten. da bleibt man doch lieber und schickt die echten langweiler heim. jeder muss ja früh raus. die pflicht ruft bekanntlich, aber das ist nicht wichtig.
wichtig ist, dass sich paar gleichgesinnte gefunden haben. sich nah sind. und das an einem donnerstag. unter der woche. einfach so. wo man doch jedes wochenende abends verzweifelt unterwegs ist. sich sogar morgens für den supermarkt aufbrezelt. auffallen um zu gefallen- heisst die devise. denn überall lauern chancen, chancen der einsamkeit auf dauer zu entrinnen. also nimmt man diese wahr.
also umarmt man die nicola - oder hieß sie doch sabine? und wankt gemeinsam in richtung öffentliche verkehrsmittel oder gleich in richtung taxi, welches letztendlich ein und die selbe adresse anfährt. doch bevor es soweit kommt- marschieren sie an mir vorbei. mit roten nasen und glänzenden augen. wie eben kleine kinder, welche entweder das letzte türchen des adventskalenders öffnen oder endlich ihr weihnachtsgeschenk auspacken dürfen. singend im gleichschritt sehe ich sie. und sie geben sich dem frieden hin, nicht alleine sein zu müssen. hypnotisieren sich mit paar liebesschwüren, paar hingebungsvollen bussis und merken vor der haustüre, dass es bestimmt das beste sei diese kalte nacht gemeinsam zu verbringen. es war ja so schön. der nächste morgen und der kater sind noch paar stunden entfernt, so liegen sie dann in ihren zusammengeschraubten ikeabetten. füttern sich mit den steinharten, aber immerhin selbstgemachten keksen und zeigen ihre kinderfotos. oder sie hören 'last christmas'. andere versuchen sich im beischlaf, während andere sich liebevoll im fremden gäste-wc erbrechen oder rührselig auf der couch ihres attraktiven gastgebers einschlafen, während dieser von seinen wagemutigen tauchaktionen auf hawaii erzählt.
am nächsten morgen freut man sich, wenn man den namen des anderen noch kennt. oder bestenfalls seinen eigenen. alle klamotten schnell findet und abhauen kann oder man freut sich tatsächlich über ein ernstgemeintes kaffeeangebot und eine nüchterne unterhaltung.
was aus diesen weihnachtsmarktbekanntschaften wird kann man schwer sagen. vielleicht trennen sie sich genau an diesem  morgen. vielleicht treffen sie sich mal zum abendessen, merken aber bald, dass hawaii und der schwarzwald  einfach nicht zusammenpassen. vielleicht haben sie mehr sex als in ihrem bisherigen leben oder sie bleiben zusammen. um im nächsten jahr auf dem gleichen weihnachsmarkt gemeinsam aufzutauchen.  hand in hand  lachen sie dann über diesen weihnachtszoo, welcher balzverhalten, liebesschwüre und rote birnen an jeder ecke bietet.