Montag, 23. Juli 2012

8,5 wochen

marla dreht sich um. ich sehe wie sie die lippen fest aufeinanderpresst.
'ist es dein ernst?'
'ja.'
'und- und wann kommst du wieder?'
'nächstes jahr. äh. so im märz oder ende februar.'
'scheisse. scheisse ist das.'
ich muss schlucken.
'marla...!'
'nein. hör auf. sag nichts.  du lässt mich hier hocken. alleine. in dieser wohnung. mit all unseren plänen. ich habe dir vertraut.'
'marla - es sind nur 7monate. es ist wichtig. wichtig für meine karriere. für unsere zukunft! das weisst du doch!'
'ja, genau. NUR 7monate. was denkst du? dass ich warte? dass ich hier stillschweigend
warte und dich dann MAL im märz oder ende februar freudestrahlend vom flughafen abhole? karriere? das ich nicht lache. auch mit karriere habe ich ein leben. freunde. eltern. und einen partner- dachte ich. aber du gibst für deinen job alles auf. du gibst uns auf. '
marla starrt ins leere. ich versuche ihre hand zu nehmen.
'weisst du was?' ihre augen werden gross. ihre stimme leise. 'ich bin schwanger. 8.woche. ich wollte es dir noch nicht sagen. es war ja nie richtig sicher.' ihre stimme bebt. sie schaut weg.

grundgütiger- ich wusste zwar, dass sie nicht erfreut sein würde. dass sie vielleicht beleidigt wäre.
 maximal eine woche würde ihre wut andauern. damit habe ich schon gerechnet.  aber dass sie schwanger ist?

'bist du dir sicher?'
'ob ich mir sicher bin?! machst du witze? marlas stirn bekommt rote flecken. 'ich bin mir mehr als sicher.'

mein herz schlägt schneller. sie ist schwanger. endlich ist sie schwanger. wie lange haben wir es probiert?
ein jahr bestimmt. komplizierte hormonbehandlungen hin. unzählbare arztbesuche her. und jetzt. jetzt habe ich der agentur schriftlich zugesagt. papiere hingeschickt. einen makler beauftragt eine bleibe zu suchen. ich dachte marla würde vor stolz platzen. ja,  ich dachte wir hätten ausgesorgt. doch gerade kann ich mich nicht freuen.

'marla. du kannst nachkommen. es gibt ja so viele möglichkeiten.'
'nein. die gibt es nicht. du schmeisst alles hin. geld ist dir immer wichtiger als wir. so sieht es doch aus. du bist wie dein vater. arschkalt. und käuflich. ich kotze!'

marla verlässt den raum. und sie kotzt tatsächlich. in meinem wahn den job zu bekommen habe ich ihre übelkeit, ihre müdigkeit und all das gar nicht bemerkt. auch ihre klagen über die kopfschmerzen nicht. scheisse. ich fühle mich wie ein versager. dabei habe ich mich eben wie ein könig gefühlt. es sollte eine
überraschung werden. sie sollte im oktober kommen und sich alles anschauen. auch habe ich einen galeristen ausfindig gemacht. sie könnte ihre fotographien ausstellen. auch wenn sie schwanger ist. das geht doch. das geht doch alles. es ist doch alles möglich zusammen.

'marla.' ich klopfe an die badezimmertüre. 'ich habe an alles gedacht. an uns. an ein zuhause. sicherheiten. an wirklich alles. vertrau mir.' ich drücke meine stirn gegen die kalte türe.

'nein. hast du nicht. du gehst für über ein halbes jahr weg. und wenn du dann gedenkst zurückzukommen bin ich bereits kurz vor der geburt. nein. du hast an gar nichts gedacht. nur an dich. scheisse.'

'soll das heissen, dass ich alles abblasen soll? ist es das was du willst?' ich höre mich fragen.

'mach was du willst. aber mich - nein, uns bist du los. herzlichen glückwunsch. wie naiv ich doch war. herzlichen glückwunsch frau wissolt. sie werden mutter.' marla schnappt verächtlich nach luft.

tief in mir sticht es. es sticht sehr. und ich habe angst. ich kenne marla. sie macht ernst. und sie wollte schon immer das kind. dabei hatte sie schon eins. nämlich mich. aber ich wollte kein kind sein. sondern gross und stark werden. es ihr beweisen. anders sein als die anderen. erfolgreicher. wichtiger. und schneller sein. und jetzt fühle ich mich wie ein 5jähriger, dem man das spielzeugauto klaut. was wird passieren?

'marla? marla, bitte mach die türe auf. marla? ich liebe dich.' ich versuche das badezimmer zu betreten. doch die türe bleibt verschlossen.