Dienstag, 26. Juni 2012

im herbst

ich wache auf. mein blick trifft die zimmerdecke. etwas licht von draussen scheint herein. mein gesicht fühlt sich warm an. und ich fühle mich alt. fühle trockene falten. um die augen. und überall. schnell schliesse ich die augen wieder.
ich werde sie verlassen. das weiss ich. das fühle ich. drehe meinen kopf zur seite. da liegt sie. mit der bettdecke verflochten. halbnackt. ihr helles haar zersaust. sie atmet schwer. sie träumt schlecht. das hat sie mir hin und wieder erzählt. in jedem ihrer träume enttäusche ich sie. aber auch tagsüber enttäusche ich sie. obwohl ich es nicht will. im gegenteil. ich tue alles, um sie nicht zu enttäuschen. ich drehe den kopf zur rechten seite. schaue auf meinen wecker. zwanzig nach sechs. der sekundenzeiger beeilt sich. möchte wohl mit ihrem tiefen atem schritt zu halten. oder läuft unsere zeit ab?

'ich liebe dich. weshalb gibst du immer das gefühl was falsch zu machen?'
'verdammt. du machst auch immer was falsch. immer wieder. ich verstehe dich nicht. ich habe keinen nerv mehr es dir ständig zu erklären.'

da. da war es wieder. das gefühl ständig was falsch zu machen. wie damals. als meine mutter mich ermahnte. mir auf den hinterkopf schlug. ihr buch auf den tisch knallte. und schrie. dieses schreien werde ich nicht los.
heute muss nicht mal geschrien werden. schon vorher fallen alle tore zu. ich mache dicht.

ja. ich werde sie verlassen. ich fühle mich isoliert in meiner fehlerwelt. stumpfe ab. und fühle mich alleine. und dann, ja dann schaue ich anderen frauen hinterher. den lebendigen. den schönen. den mit den nackten beinen. langen haaren. den lächelnden. und lachenden. ich sehe sie überall. deshalb mag ich den sommer so. klamottenberge weg. den zauber der leichtigkeit her. frei von fehlern.
wenn meine mutter sich nicht über mich ärgerte und sich auch nicht über meinen vater ärgerte, dann- ja dann war die welt leicht. und schön.
ich sehe sie noch im garten stehen und wäsche aufhängen. es war sommer. ich war zehn. es roch nach waschmittel. frisch gemähtem rasen. kirschen.
sie hatte ein hellblaues kleid an, die langen roten haare offen und sie lächelte. ihre sommersprossen blitzten. sie erzählte. umarmte mich. gott, ja, das liebte ich am sommer.
so wie heute.
also werde ich meine freundin im herbst verlassen. wenn ihre langen hosen und stiefel rufen. ihr langer hals sich hinter rollkrägen verbirgt. ihr gesicht langsam verblasst. ihr haar nachdunkelt. ihre stimmung trüber wird. wenn sie mich kritisiert. mir nicht zuhört. mich nicht mehr hört. da tief drinnen.

ich schlucke.
ja. dann. dann werde ich sie verlassen. im herbst.